Travelnews | 21.03.2024 |Gregor Waser

Die Swiss Travel Association ist im Bahnhof Birmensdorf ZH zu finden. Alex Vogel, Leiter Operations der STAR Enterprises AG, begrüsst Travelnews zum Interview. Bilder: TN

Herr Vogel, im Dezember 2022 haben Sie als COO bei der STAR Enterprises AG angefangen und stehen seither im Kontakt mit den 300 STAR-Reisebüros. Welche Themen beschäftigen Sie am meisten?

Alex Vogel: Ein grosses Thema ist das Partnermanagement. Da geht’s um die im Sammelcode buchbaren Veranstalter und Partner für STAR-Deals, es gilt Services zu optimieren und attraktiver zu gestalten: ebenso neue Partner zu gewinnen und integrieren wie jüngst amnis, ein Spezialist für Fremdwährungen oder 8%-Kommission bei booking.com. Dann habe ich mit dem IT-Projekt ein grosses Feld übernommen, wir entwickeln für unsere Mitglieder ein passendes Midoffice-System. Ein Thema, dass mich ebenfalls stark beschäftigt: wir wollen uns noch stärker auf den Markt ausrichten und den Büros eine noch bessere Plattform bieten, um den Reisenden ins Büro zu bringen.

Seit dem Pandemieende läuft das Reisegeschäft doch gut. Sie zweifeln, dass die Kunden künftig ins Reisebüro kommen?

Aktuell läuft es gut auf einem Niveau wie vor der Pandemie. Die Reisebüros sind sehr gut beschäftigt und ausgelastet, das zeigen die Mitglieder-Gespräche. Aber um die Zukunft mache ich mir schon Sorgen.

Wieso?

In meinem persönlichen Umfeld, das durchaus kaufkräftig ist, stelle ich fest, dass die Leute Ende 20 bis anfangs 40, vor allem jene die noch keine Kinder haben, sehr grosse Reisen machen. Und von all denen ist ein einziger ins Reisebüro gegangen, alle anderen haben ihre Reisen selber zusammengestellt. Die Maturität beim Reisen ist heute viel grösser als die von 35-Jährigen vor 20 oder 30 Jahren. Viele von uns sind wohlbehütet aufgewachsen und konnten sich das Reisen finanziell schon relativ früh leisten und haben gelernt, sich die Reisen selber und direkt zusammenzustellen. Ich glaube aber sehr stark an den Beratungsansatz im Reisebüro. Im Gespräch mit einigen unserer Mitgliedern stelle ich fest, dass sie sehr wohl die Fähigkeit haben, genau zuzuhören, herauszuhören, was der Kunde will und was er nicht will und ihm die bestmögliche Antwort geben können. Diese Kompetenz, die haben wir. Und ich glaube auch, dass viele Kundinnen und Kunden auch in meiner Altersgruppe durchaus beraten werden wollen, aber es scheint, als schaffen wir es noch nicht, diese heute ins Reisebüro zu bringen. Anstatt von den offensichtlichen Vorzügen zu profitieren, buchen diese lieber auf eigenes Risiko selbst im Internet

Wie müsste sich denn ein Reisebüro positionieren, um diesen jüngeren, moderneren, vielgereisten Kunden abzuholen?

Als STAR-Reisebüro oder als gesamte Branche müssen wir zu verstehen beginnen, was diese neue Kundschaft benötigt. Das können wir als Verband in gewisser Weise besser, als wenn das jedes einzelne Reisebüro erarbeiten muss.

«Niemand aus meinem vielgereisten Umfeld hat nur einen Hauch einer Ahnung, was er für einen Vorteil hat, wenn er in einem Reisebüro bucht.»

Möglicherweise haben gerade jüngere Reiseberaterinnen und -berater einen gewissen Respekt vor vielgereisten Kunden.

Es mir sehr wichtig, den Leuten nicht Angst zu machen, denn diese lähmt uns nur und wir wollen genau das Gegenteil bewirken. Viel mehr sehe ich es als eine Chance uns zu überlegen, was unsere Kunden übermorgen benötigen. Denn heute ist die Auftragslage gut und wir sind noch nicht gezwungen, unsere Angebote und Geschäftsmodelle zu überdenken und neue Kundengruppen zu erschliessen. Somit sind wir in einer starken Position, wo wir können, aber noch nicht müssen – wir haben also die Möglichkeit zu agieren, statt zu reagieren und wir wollen diese Chance nutzen. Wir bei STAR haben uns das auf die Fahne geschrieben, dass wir uns auf diesen Kundenmarkt ausrichten müssen und uns überlegen, was will die nächste Generation, um daraus die Tools für unsere Mitglieder zu erarbeiten

An welches Beispiel denken Sie?

Nehmen wir das Pauschalreisegesetz. Wir als Branche beschäftigen uns sehr stark damit und den möglichen Unannehmlichkeiten. Aber aus Sicht des Konsumenten ist das PRG etwas Fantastisches. Niemand aus meinem vielgereisten Umfeld hat nur einen Hauch einer Ahnung, was er für einen Vorteil hat, wenn er in einem Reisebüro bucht. Und viele kommen nun in ein Alter, wo sie nicht mehr so viel Zeit haben, um stundenlang im Internet sich eine Reise zusammenzustellen. Wenn sie dieses coole Leistungsangebot aber nun kennenlernen, bei dem sie gut beraten werden und Sicherheiten und Betreuung erhalten, dann ist das sehr attraktiv. Aber wenn sie dieses Erlebnis nie gehabt haben, dann werden sie später auch nicht ins Reisebüro gehen.

Im Dezember 2022 stiess Alex Vogel als Leiter Operations (COO) zur STAR Enterprises AG.

Was lässt sie daran glauben, diesen Kundentypus ins Reisebüro holen zu können?

Mein Umfeld hat oftmals einen enormen Stress den bestmöglichen Deal zu finden. Habe ich alles gesehen? Habe ich das Maximum rausgeholt? Hier kann das Reisebüro Abhilfe schaffen und gemeinsam mit dem Kunden den bestmöglichen Deal erarbeiten. Das Reisebüro hat die Chance, sich als Trusted Advisor zu positionieren, als Vertrauter des Kunden. Und das bedingt nicht, schon alles gesehen zu haben, sondern das immense Angebot mit den Kundenanforderungen und mit seiner eigenen Erfahrungen zu filtern. Die Hotelauswahl auf einer einzelnen Insel ist ja schon unglaublich gross. Wie will ein Direktbucher da die für ihn bestmögliche Lösung finden? Hier kann der Reiseprofis sagen, ich empfehle dir aufgrund deiner Bedürfnisse und meiner Erfahrung diese drei Optionen. Wir haben sicher ein Thema, weil heute ein Mitdreissiger deutlich mehr gereist ist als vor 30 Jahren. Aber mir geht es ja auch so, am Tag als das erste Kind da war, reist du anders. Wenn ich nun zu einer Beraterin oder einem Berater gehen kann, bei dem ich weiss, dass der weiss, wie es ist mit kleinen Kindern zu reisen, ist das ein riesiger Vorteil.

Die Zukunft dürfte einem Reiseprofi aber schon zu denken geben. Nun hält auch noch Künstliche Intelligenz Einzug …

Auch das Thema KI sehe ich als Chance: Ob es als Unterstützung bei der Recherche ist oder aber auch zur Automatisierung der administrativen Prozesse: Viele Reisebüros haben extrem hohe administrative Aufwände mit E-Mail- und Dokumentenverwaltung. Ich gehe davon aus, dass mindestens 30 Prozent der Ressourcen für administrative Aufwände benötigt werden, welche nichts mit der Beratung oder der Reiseleistungsentwicklung zu tun haben. Die Branche leidet unter dem Fachkräfte-Mangel und dieser ist weder durch KI bedroht, noch wird er dadurch gelöst. Jedoch sehe ich hier eine zusätzliche Chance mittels KI und Automatisierungen die administrativen Aufwände im Reisebüro zu minimieren und so die hochwertige Ressourcen freizuschaufeln.

Wie sehen Sie Ihre Rolle bei STAR?

Ein wichtiges Thema ist die Integration von externem Wissen bei unseren Reisebüros. Und hier sehe ich mich in der Rolle des Vermittlers, des Integrators, der alle Kabel in den Händen hält und versucht die Bedürfnisse zu übersetzen und so die Kabel richtig einzustecken. Wir möchten nicht den Social-Media-Spezi direkt auf die Reisebüros loslassen, sondern wollen helfen, die Sprache von Social Media oder IT so zu sprechen und zu übersetzen, dass unsere Mitglieder dieses Wissen möglichst effizient und effektiv einsetzen können.